Für Mira und die Goldminen aller Kinder dieser Welt

Für Mira und die Goldminen aller Kinder dieser Welt

Neulich hat mich eine Mama gebeten ihr die Schulnachricht ihres Sohnes (1. Klasse Volksschule), aus dem Elternheft zu übersetzen.

Ich lese sie still in Gedanken und wäge im selben Augenblick ab, welche Konsequenzen diese Zeilen für Saad haben könnten: „Bitte schicken sie Ihr Kind früher in die Schule. Er kommt jeden Tag um 25 Minuten zu spät.“

Dann lese ich sie laut vor, Mama, Saad und seinen Geschwistern. Die Zeilen haben Konsequenzen. Sie beunruhigen Mama. Sie kann es sich nicht vorstellen, wie das geschehen kann, denn Saad hat jeden Morgen eine halbe Stunde Zeit, für die Strecke bis zur Schule. Mama überhäuft Saad mit Sanktionen.

Saad’s Adrenalinspiegel steigt, er ruft „Nein, nein, nein.“

Ich frage Saad und glücklicher Weise erreichen meine Worte ihn: „Hast du eine Idee, warum du so lange brauchst, bis du in der Schule ankommst?“

Und dann ist auf einmal alles wieder ganz leicht.

Saad sagt, als ob es nichts Selbstverständlicheres gäbe: „Es gibt so viel zu lesen auf dem Weg.“

Saad’s Worte berühren mich (und das tun sie auch jetzt noch, beim Schreiben dieser Zeilen) und sie mahnen mich:“ wir müssen uns mehr zuhören. Wir müssen unseren Kindern mehr zuhören. Wir müssen unseren Klienten mehr zuhören. Wir müssen den Eltern mit denen wir zusammenarbeiten mehr zuhören. Wir müssen uns in unseren Partnerschaften mehr zuhören und unseren KollegInnen, um verstehen zu lernen, welche Botschaften hinter ihren Verhaltensweisen stehen und um uns immer wieder auf’s Neue verbinden zu können.

Saad hat genau das gemacht, was seiner Entwicklungsaufgabe entsprochen hat. Er war neugierig, voll Lerneifer, intrinsisch motiviert und begeistert…. er hat gelesen. Buchstabe für Buchstabe zusammen gefügt und gelesen. Bei der Apotheke, dem Autohandel, der Fleischerei und der Polizei.

Mama und Papa sind stolz, dass Saad so gut lesen kann….und er hat jetzt eine Uhr.

gudrun

1 Kommentar bisher

Heike Bösche Veröffentlicht am10:11 - 10. Januar 2019

Hallo liebe Gudrun,
heute bin ich das erste Mal durch Zufall auf Deiner Homepage. Sie ist so ansprechend und Deine Geschichten sind so anrührend. Das wollte ich Dir mit einem herzlichen Gruß mitteilen.
Alles Gute. Herzlichst, Heike